Manche Marketingexperten sind heute der Ansicht, dass eine Unterscheidung zwischen B2B und B2C nicht mehr zeitgemäß ist. Stattdessen sprechen Sie von B2H, “Business to Humans”. Denn am Ende wollen wir ja immer an Menschen verkaufen.
Auch wenn dies aus unserer Sicht eine relevante Perspektive ist, greift sie ein wenig zu kurz. Im Gegensatz zum Endkonsumenten ist eine Person, die in eine B2B-Kaufentscheidung involviert ist, meist von einem Korsett an Anforderungen eingeschränkt. Sie muss begründen, argumentieren, überzeugen, warum ihre Auswahl die beste für das Unternehmen ist. Dies liegt jedoch nicht daran, dass es sich um eine B2B-Entscheidung handelt, sondern vielmehr an der Art der Kaufentscheidung:
Während die meisten Menschen ohne Probleme eine neue Joghurtsorte aus einem Impuls heraus kaufen können, würden sie das Gleiche nicht mit einem Auto tun. Denn einen solchen Spontankauf müssten sie gegenüber Partner und Umfeld deutlich besser begründen – und sich in den meisten Fällen vorher Unterstützung oder Bestätigung einholen.
Der Kauf eines Autos, auch wenn er möglicherweise in den nächsten Jahren weniger zeitgemäß werden wird, ist ein gutes Beispiel für eine extensive Kaufentscheidung. Durch den relativ hohen finanziellen Wert eines Fahrzeugs sowie die individuelle Bedeutung sind Käuferinnen und Käufer kognitiv und emotional hoch involviert. Viele relevante B2B-Entscheidungen funktionieren genauso, denn auch bei ihnen handelt es sich um extensive Kaufentscheidungen. Daher ist dieses Beispiel sehr gut geeignet, B2B-Prozesse zu veranschaulichen.
Nehmen wir an, mein altes Fahrzeug kommt in die Jahre und es ist absehbar, dass ich mich in den nächsten Monaten um Ersatz bemühen muss. Nun ist die Not groß, denn die Anzahl der verfügbaren Alternativen ist umfassend – sowohl, was Marke als auch was Modell oder Fahrzeugtyp betrifft. Benötige ich einen SUV oder einen Familien-Van? Oder tut es vielleicht ein kleineres Fahrzeug, weil wir Urlaubsreisen zukünftig mit dem Zug unternehmen? Auch Antrieb und Ausstattung sind ein unübersichtliches Feld. Um dieses Thema annähernd in den Griff zu bekommen, imitieren viele Autokäufer instinktiv das Vorgehen, das auch in vielen Unternehmen vorherrscht: sie erstellen einen Anforderungskatalog (Was muss unser Auto unbedingt können? Was wäre schön? Auf welche Merkmale können wir verzichten?) und eine Shortlist (Marken und/ oder Modelle, die prinzipiell in Frage kommen).
Beide Hilfsmittel stehen natürlich in Relation zueinander – wenn meine Lieblingsmarke keinen 7-Sitzer anbietet, muss ich mich umorientieren. Doch in vielen Fällen lenkt die Marken-Shortlist den Blick auf Features und Modelle.
Und, das werden Sie sich fragen, das ist im B2B-Geschäft genauso? Unternehmen haben doch keine Lieblingsmarke und gehen viel rationaler bei der Erstellung eines Anforderungskataloges vor als “Ich hätte gerne ein großes Schiebedach”. Das ist natürlich wahr – dennoch waren in der 2021 Brand Marketing Maturity Survey der Boston Consulting Group 99 Prozent der befragten Marketingentscheider aus B2B-Unternehmen der Meinung, dass die Marke eines Anbieters eine wichtige Rolle im Entscheidungsprozess spielt. Suchmaschinenmarketing – die Königsdisziplin des Jetzt-Marketings, also jenes Teils des Marketingmixes, der sich an in einem konkreten Kaufprozess befindliche Adressaten richtet – kann die Informationsbedürfnisse von Nutzern allein durch Informationsüberflutung nicht mehr ausreichend befriedigen: Zwei von drei Suchanfragen bei Google führen mittlerweile nicht mehr zum ersehnten Klick, berichtet Gartner in Erhebung aus dem Jahr 2020. Und selbst dort, wo das Bedürfnis nach Information mühelos befriedigt wird, geschieht dies nicht immer zum Vorteil des Käufers. Haben Sie Zweifel an dieser Aussage? Dann versuchen Sie einmal, einen Ventilator oder Milchschäumer bei Amazon zu kaufen. Mehr Information ist nicht immer besser.
Die Marke findet in diesem Kontext wieder zu alter Stärke zurück, indem sie ihrer angestammten Funktion nachkommt: Vertrautheit erzeugen und Orientierung in einem überfordernden Angebot geben. Die gleiche Studie belegt nämlich auch, dass “Marke” bei 28 Prozent aller Top-Marketingentscheider wieder ganz oben auf der Agenda steht.
Markenbekanntheit und -präferenz wird jedoch durch emotionale Resonanz bestimmt. Die Erinnerung an eine Marke oder die vage positive Assoziation, die in einer extensiven Kaufentscheidung den Ausschlag über den Platz auf der Shortlist geben kann, wird bestimmt durch die Relevanz und die Resonanz, die eine Marke in der Zielgruppe erzeugen kann. Der Gedanke, sein Marketing an der B2H-Philosophie auszurichten, ist für B2B-Marketer daher nicht falsch – doch fehlt natürlich in vielen Fällen, besonders bei technischen oder komplexen Angeboten, das Bindeglied. Und genau hier kommt Storytelling ins Spiel.